Gleich zu Beginn zieht Jana Jürß die Schülerinnen und Schüler in ihren Bann, indem sie die Gedanken eines Henkers zitiert in den Minuten bevor er den Schießbefehl erhält zur Hinrichtung eines Menschen. Die Todesstrafe wurde in der DDR erst 1987 abgeschafft. Die Henker bekamen zusätzlich zu ihrem Gehalt 200,- Ostmark für jede Hinrichtung. Unter den Häftlingen, die hingerichtet wurden, befanden sich auch politisch unbequeme Menschen.

Nach diesem bedrückenden Einstieg erklärte Frau Jürß, dass über allem „DIE PARTEI“ stand, nichts ging ohne sie. Offiziell hieß die Partei „Sozialistische Einheitspartei Deutschlands“ (SED). Führungspersonen mussten Mitglied der Partei sein und sich ihr unterordnen. Jeder, der nicht Mitglied war, war von vornherein verdächtig und musste mit Überwachung rechnen. Alles, was in den Zeitungen geschrieben und im Fernsehen gezeigt wurde, musste von der Partei/der Politik abgesegnet sein. Aus ihrer Sicht war der Westen immer „böse“. Die Partei bestimmte alles: die Schullaufbahn, welchen Beruf man zu erlernen hatte oder die Wohnung, die man bekam.

Die Kinder wurden von klein auf im Sinne der Partei erzogen, zuerst in Kinderkrippe und Kindergarten, später in der Einheitsschule, der zehnklassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule. Wer das Abitur machen und studieren durfte, entschied auch die Partei. Ab der 1. Klasse kamen die Kinder zu den Jungpionieren. Jedes Jahr am 13. Dezember wurde ihnen das Gelöbnis abgenommen. Ab der 8. Klasse wechselten die Jugendlichen in die „Freie deutsche Jugend“ (FDJ), auch „Blauhemden“ genannt. Die Mitgliedschaft war Pflicht. Mit 14 Jahren erhielt man die „Jugendweihe“. Man galt dann als erwachsen, bekam einen Personalausweis und hatte das Recht mit „Sie“ angesprochen zu werden. Die Jugendlichen bekamen dann aber auch schon Verantwortung übertragen. Die Partei arbeitete mit Einschüchterung und der Angst vor Repressalien. Wer sich nicht parteikonform verhielt, bekam z.B. keine entsprechende Wohnung, keinen Ausbildungsplatz oder durfte nicht studieren.

Die DDR war ein Überwachungsstaat. Jeder musste damit rechnen durch die „Stasi“ (Staatssicherheit) bespitzelt zu werden. Wohnungen und Telefone (wenn man überhaupt eins hatte) konnten abgehört werden, wenn man z.B. den Staat kritisierte oder die Stasi den Verdacht hatte, dass jemand flüchten wollte. Die Bevölkerung lebte in ärmlichen Verhältnissen. Wohnungen, Grundnahrungsmittel oder der Arztbesuch waren billig, aber es war sehr schwierig eine Wohnung zu bekommen. Auf einen „Trabi“ musste man bis zu 10 Jahre warten. Beziehungen waren daher sehr wichtig. Frau Jürß flüchtete relativ unspektakulär in den Westen. Im Frühjahr 1989, mit 19 Jahren, beantragte sie ein Visum für einen Urlaub in Ungarn. Die Zeit, bis das Visum endlich ausgestellt wurde, war sehr zermürbend und voller Angst, dass jemand Verdacht schöpfte. In Ungarn angekommen gelangte sie schließlich über eine sogenannte „grüne Grenze“ in den Westen. Diese Grenzen wurden zu der Zeit schon nicht mehr ständig bewacht.

Das Gespräch mit Frau Jürß hat den Schülerinnen und Schülern sehr eindrucksvoll geschildert, wie unterschiedlich das Leben in der ehemaligen DDR war verglichen mit ihrem heutigen Leben.